Die bittere Seite der Schokolade

Seit Jahrzehnten verspricht die Schokoladenindustrie Kinderarbeit im Kakaoanbau auszulöschen. Doch sie hat sogar zugenommen. Nestlé & Co. haben ihr Versprechen gebrochen. 

Bilder von Kindern, die auf Kakaofarmen schwer schuften müssen, sind nicht gut fürs Image. Schon gar nicht, wenn man so ein süßes Produkt wie Schokolade anzubieten hat. Deshalb unterzeichneten Vertreter der Schokoladenindustrie, darunter große Markennamen wie Nestlé, Mars und Ferrero, bereits im Jahr 2001 eine freiwillige Vereinbarung – das nach zwei US-Senatoren benannte Harkin-Engel-Protokoll. Darin versprachen die Unternehmen, die schlimmsten Formen von Kinderarbeit bis 2005 zu beenden. Dann begann ein großes Herumlavieren. Die Deadline wurde immer wieder nach hinten verschoben, das Ziel mehrmals revidiert. Vom groß ankündigten Ausstieg aus der Kinderarbeit blieb eine „Reduktion um 70% bis 2020“. Eine Studie des US-Arbeitsministeriums im Herbst 2020 zeigt: Nicht einmal dieses Versprechen haben die Konzerne gehalten.  

Im Gegenteil: Kinderarbeit in Westafrika, denn von der Elfenbeinküste und aus Ghana kommt der Großteil der Kakaobohnen für unsere Schokolade, hat in den letzten zehn Jahren eher zugenommen. Armut ist der Turbo für Kinderarbeit. Das Durchschnittseinkommen eine*r Kakaobäuer*in beträgt weniger als einen Dollar pro Tag. Das ist gerade einmal rund ein Drittel dessen was eine Familie zum Überleben benötigt. Damit die Familien auf ein Existenzminimum kommen, sind sie gezwungen die Kinder als Arbeitskräfte einzuspannen.  Es sind rund 2,1 Millionen Kinder, die auf Kakaofarmen unter ausbeuterischen Bedingungen arbeiten müssen. Damit geht fast jedes zweite Kind in landwirtschaftlichen Haushalten in den Kakaoanbaugebieten ausbeuterischer Kinderarbeit nach. Viele von ihnen verrichten dabei Arbeiten, die gesetzlich verboten sind, weil sie die körperliche und geistige Gesundheit der Minderjährigen gefährden: Sie tragen schwere Säcke, brennen und holzen Wälder ab, öffnen die Früchte mit scharfen Macheten oder hantieren ungeschützt mit Pestiziden. 

Wie konnte das trotz der großen Versprechen der Schokoindustrie passieren? 
Die Unternehmen haben über all die Jahre hinweg viel zu wenig getan um der Kinderarbeit ernsthaft den Kampf anzusagen. Dabei ist das Rezept recht einfach um Kinderarbeit Geschichte werden zu lassen: In erster Linie braucht es einen fairen Lohn für die Arbeiter*innen mit dem sie ihre Familien ernähren können und einen existenzsichernden Kakaopreis für die Ernte der Kleinbäuer*innen. Aber faire Preise und gerechte Löhne verursachen zusätzliche Ausgaben. Keiner der Konzerne war bereit, die Kosten für die Vermeidung der Kinderarbeit zu tragen. Doch Menschenrechte gibt es nicht zum Nulltarif. Die Kleinbäuer*innen können ihre Rechte selbst nicht durchsetzen. Die meisten wissen auch gar nicht, dass es ein Unrecht ist, dass sie für ihre harte Arbeit so wenig bezahlt bekommen, dass ihre Kinder wie Erwachsene mitarbeiten müssen, dass ihre Kinder ein Recht darauf haben, die Schule zu besuchen.

Hier setzt die Arbeit von Caritas Ghana, der Partnerorganisation der Dreikönigsaktion an. Kinderarbeit Geschichte werden zu lassen braucht eine breite Strategie. Die Bauernfamilien müssen davon überzeugt sein, dass es eine andere Zukunft für ihre Familien, ihre Kinder gibt. Unsere Partnerorganisation setzt genau da an und bietet Workshops für die Familien an, in denen die Bäuer*innen mit den schrecklichen Folgen der schweren körperlichen Arbeit für ihre Kinder konfrontiert werden. Sie spricht direkt mit den Kindern darüber, dass Bildung der einzige Ausweg aus dem Teufelskreis der Armut ist. Sozialarbeiter*innen arbeiten vor Ort mit Kindergruppen und vermitteln Schulplätze. Aber damit ist es nicht getan. Es braucht Auswege aus der Armut – deswegen bieten die Partnerorganisationen der Dreikönigsaktionen den Familien Kleinkredite an, damit sie sich Maschinen und neue Geräte anschaffen können, die ihre Arbeit erleichtern und somit ihre Ernte und ihr Einkommen steigern. Die Kakaofarmer*innen und ihre Kinder müssen ein gemeinsames Ziel vor Augen haben: Ja, wir wollen etwas verändern. So wollen wir nicht weiterleben – und es braucht das Vertrauen, dass ihnen jemand auf diesem schwierigen Weg zur Seite steht und hilft.  

Hilfe zu geben, wenn deine Widersacher*innen Weltkonzerne sind, deren Interesse es ist, dass sich nichts verändert, weil das die Profite schmälert, ist schwer. Zu übermächtig scheinen die Gegner*innen. Und das ist der Punkt wo wir, wo Europa, wo Österreich, wo jede*r Einzelne ins Spiel kommt. Die Kakaobäuer*innen in Ghana und der Elfenbeinküste brauchen uns als Verbündete, um gegen Weltkonzerne bestehen zu können.  

Wir sind weit weg. Was können wir schon tun?
Eine ganze Menge: Die Kakaoindustrie hat mit ihrem Versprechen Kinderarbeit abzuschaffen versagt, wie auch die 2023 erschienene Studie der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE) und der Dreikönigsaktion feststellt. Die Studie trägt den Titel “Möglichkeiten zur Verbesserung der sozioökonomischen Situation der ghanaischen Kakaobäuer*innen: Die Rolle von Nachhaltigkeitsinitiativen“ und geht der Frage nach, wie die wirtschaftliche Situation von Kakaobäuer*innen so verbessert werden kann, dass sie aus der Armut entkommen können. Trotz zahlreicher Initiativen sind die Auswirkungen auf den Lebensunterhalt der durchschnittlichen Kakaobauernhaushalte begrenzt erfolgreich.

Daher schließt die Studie unter anderem mit der Empfehlung von verbindlichen Regeln, wie etwa das derzeit diskutierte europäische Lieferkettengesetz.

Hannes Grohs, Studienautor der ÖFSE, dazu: „Die letzten 20 Jahre haben gezeigt, dass freiwillige Nachhaltigkeitsinitiativen im Kakaosektor nur geringe Erfolge erzielt haben. Aktuell sehen wir jedoch ein Zeitfenster, in dem sich von Industrie bis Zivilgesellschaft alle relevanten Akteur*innen für eine verbindliche Regulierung der Wertschöpfungskette aussprechen. Dieses sollte genutzt werden, indem von gesetzgebender Seite möglichst präzise formulierte Vorschriften für Unternehmen definiert werden. Solche Vorschriften sind dann effektiv, wenn sie gute und transparente Berichtspraktiken sowie eine Haftungspflicht bei Nichteinhaltung beinhalten.“

Auch wir können mithelfen zumindest so furchtbare Missstände wie schwere Kinderarbeit in Westafrika zu bekämpfen. Es braucht strenge Gesetze – in Österreich und auf EU-Ebene, die sicherstellen, dass keine Kinderarbeit in unserer Schokolade steckt. Die Konzerne müssen ihre ganze Lieferkette – von den Kakaobäuer*innen bis ins Verkaufsregal – offenlegen und nachweisen, dass sie faire Löhne für ihre Ware zahlen und dass keine Kinder dafür schuften müssen.

Kakaobohnen, Hawkey, UNCRISPROCA

Kakaobohnen. Fotograf: Sean Hawkey

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